Welche Herausforderungen der HR Bereich bietet, wie sich das Personalwesen durch die Pandemie verändert hat und wie die Zukunft von Personalarbeit ausschaut – all das verrät uns Philipp Kruse, Human Capital Manager bei Deloitte Consulting in einem kurzen Interview.
Philipp Kruse, Manager Human Capital bei Deloitte Consulting arbeitet schon seit fast 10 jahren im HR Bereich. Er unterstützt Kunden bei Projekten zu einer breiten Vielfalt an personalbezogenen Fragestellungen. Dabei bewegt er sich in den Themenfeldern Personalstrategie und Talent Management, Future of Work, Change Management, Führung sowie digitale und kulturelle Transformation.
„Ich habe BWL studiert und neben meinem allgemeinen Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen fand ich auch schon immer den Faktor Mensch in dem Kontext extrem interessant. Und das insbesondere, wenn man ihn nicht isoliert, sondern eben in einem Konstrukt wie einem Unternehmen betrachtet, in dem etwas Größeres gemeinsam geschaffen werden soll. Wenn man es sich mal vor Augen führt, wie eine scheinbar komplett zusammengewürfelte Gruppe an Menschen in einem Unternehmen zusammenarbeitet, stellt sich schon die Frage, wie das eigentlich funktionieren kann. Welche Stellschrauben genau betätigt werden müssen, damit diese Gruppe an Menschen gemeinsam erfolgreich arbeiten kann, interessiert mich einfach. Da reden wir dann über Gruppendynamiken, Kultur, gemeinsame Ziele, Gruppenzusammenstellungen, usw. – Personalarbeit halt.“
„Als Berufseinsteiger in der Personalabteilung – das war noch vor Deloitte – arbeitest du ja direkt mit Personen zusammen, die meist mehr Erfahrung, Seniorität, Expertise und Autorität haben. Und dann geht es oft direkt um Themen, die diese Personen auch persönlich betreffen (bei Personalentscheidungen, persönlichen Anfragen, Gehältern, Mitarbeiter*innengesprächen, etc.). Als Junior hat es da schon etwas gebraucht, um das Standing aufzubauen, was man bei solchen Themen durchaus braucht.
Ansonsten ist die Personalarbeit generell facettenreich, weil es immer davon abhängt, wie dein Gegenüber tickt, bzw. mit welcher Persönlichkeit du es gerade zu tun hast. Deshalb musst du dich immer wieder auf den anderen und seine Bedürfnisse individuell einstellen, was auch immer wieder aufs Neue herausfordernd sein kann.“
“Fachkräftemangel ist kein neues Phänomen und darf heute nicht als neue Entwicklung gesehen werden, der man als Unternehmen oder HR-Abteilung machtlos gegenübersteht.”
„Vor 10 Jahren war Personalabteilung administrativer und verstaubter als heute. Etwas statischer. Damals war es vielerorts noch mehr eine interne Admin-Abteilung, in der es hauptsächlich um Verwaltung ging. Man saß definitiv nicht mit am Tisch, wo die großen Dinge besprochen wurden. Da hat sich zum Glück einiges getan. Heute ist Personalarbeit eine Aufgabe jeder Führungskraft, jeder Manager*in bzw. Managements. Früher sind in Vorständen CEO und CFO oft die zentralen Player gewesen – heute rückt der/die CHRO mit auf.
Auf der Arbeitsmarktseite gab es meines Erachtens, seitdem ich in der HR arbeite, schon immer einen Mangel an guten und qualifizierten Mitarbeiter*innen. Der Mythos, dass früher alles besser war, stimmt hier nicht. „Fachkräftemangel“ ist kein neues Phänomen und darf heute nicht als neue Entwicklung gesehen werden, der man als Unternehmen oder HR-Abteilung machtlos gegenübersteht. Was sich aber getan hat: Diese Herausforderungen der Talent Acquisition haben sich in nahezu alle Unternehmensbereiche, Branchen, Jobs und Hierarchie-Levels erweitert. Talent Pools sind generell – ob Fachkraft (auch der Begriff ist kaum mehr zeitgemäß) oder in der breiteren Masse – dünner geworden. Dies hat verstärkt dazu geführt, dass die Employee Experience erfolgskritischer wird.“
“Durch die Pandemie hat sich vieles auch langfristig verändert. Beispielsweise sind Themen der Pandemie, wie Remote Working, die Bindung von Mitarbeiter*innen an Unternehmen und die Beschleunigung des digitalen Arbeitens Dinge, die das Personalwesen mitgestaltet hat.”
“Ja, die Pandemie hatte natürlich auch auf die Personalarbeit Auswirkungen, und zwar besonders in zwei Bereichen:
Speziell zu Beginn der Pandemie, bzw. in ihren Hochphasen hat das Personalwesen eine große Rolle im Krisenmanagement eingenommen. Da ging es dann um die Themen Homeoffice, Gesundheitsmanagement, Sicherheitskonzepte etc., um akute Antworten auf die Pandemie liefern zu können. Das hat die HR ins Rampenlicht gerückt und die Abteilung wird vielerorts dadurch nun anders wahrgenommen.
Und ein weiterer Aspekt, der durch die Pandemie in den Fokus des Personalwesens gerückt ist, ist die allgemeine Gestaltung der Arbeit von morgen. Durch die Pandemie hat sich vieles auch langfristig verändert. Beispielsweise sind Themen der Pandemie wie Remote Working, die Bindung von Mitarbeiter*innen an Unternehmen und die Beschleunigung des digitalen Arbeitens Dinge, die das Personalwesen mitgestaltet hat.”
“Die letzten zwei Jahre haben vielerorts große Schwächen aufgezeigt, wie das Personalwesen im Hinblick auf Prozesse, Digitalisierung und Organisation aufgestellt ist und daran wird jetzt vermehrt gearbeitet werden.“
“Wir reden seit 2 Jahren darüber, wie das „New Normal“ in der Arbeit ausschauen soll und durch ständige neue Wellen, Lockdowns etc. konnte sich der Staub, der aufgewühlt wurde, nie wirklich legen. Aber wir alle hoffen, dass dies 2022 passieren wird. Das würde bedeuten, dass man endlich zu einer Festigung neuer (flexibler) Arbeitsmodelle kommt und diese auch ausprobieren kann: Wie bspw. hybrides Arbeiten langfristig wirklich funktioniert und mit welchen Auswirkungen und Ergebnissen das einher geht. Da fehlen uns noch die langfristigen Erkenntnisse.
Man kann und wird 2022 anfangen die Learnings aus der Pandemie zu reflektieren. Ob die Pandemie wirklich vorbei sein wird, weiß man nicht, aber man kommt mittlerweile mehr zum proaktiven Agieren. Ich persönlich fände es positiv, wenn Arbeit wieder ein Stück weit mehr „Arbeit“ wird. Was meine ich damit? Für viele Menschen ist Arbeit zum absoluten Mittelpunkt des Lebens geworden, weil du durch die Pandemie nichts anderes machen konntest und das Büro zu Hause „immer offen“ war. Das war anfangs vielleicht gut für die Produktivität, aber langfristig wirklich schwierig für z.B. das Wellbeing der Mitarbeiter*innen. Nun, wo das soziale Leben wieder mehr wird, gewinnt man auch wieder mehr Abstand zum Job und kann diesen wieder als „Arbeit“ ansehen. Ich rede nicht von weniger Identifikation mit dem Job oder weniger Motivation, aber mit einem gesunden Abstand, lassen sich Herausforderungen im Job ja oft viel besser meistern.
Abgesehen davon haben die letzten zwei Jahre vielerorts große Schwächen aufgezeigt, wie das Personalwesen im Hinblick auf Prozesse, Digitalisierung und Organisation aufgestellt ist und daran wird jetzt vermehrt gearbeitet werden.
Ein weiterer Punkt ist das Thema Führung. Führungskulturen, Führungsverhalten und allgemein die Definition von Führung hat sich grundlegend verändert. Daher werden Führungskräfte fortan andere Herausforderungen haben als noch vor der Pandemie, in die sie jetzt hereinwachsen werden.”
“Das Personalwesen muss seine Zielgruppen intern und extern gut kennen und bereit sein, auch flexibel zu agieren. Für Beziehungen zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgebern gibt es keine „one-size-fits-all“ Lösung.”
“Die Personalfunktion muss den beschriebenen Weg weitergehen. Weg von einer Funktion, die sich allein auf Prozesse, Standards und Vorschriften konzentriert, hin zu einer Art Partnerin oder Beraterin auf Augenhöhe mit dem Business und einer Dienstleistungsfunktion mit hoher Serviceorientierung für die Mitarbeiter*innen. Natürlich werden Policies immer Teil des Personalwesens sein, aber sie sollten so schlank und benutzerfreundlich wie möglich gehalten werden – unter Zuhilfenahme von Technologien.
Es ist allerdings auch wichtig, dass man das richtige Maß bewahrt. Nicht alles gilt für alle Mitarbeiter*innengruppen gleich. Diese Differenzierung wird auch immer stärker. Das bedeutet für die Personalarbeit, dass man differenzierter auf Berufsgruppen und Mitarbeiter*innengruppen schauen und diese spezifisch behandeln muss. Das Personalwesen muss seine Zielgruppen intern und extern gut kennen und bereit sein, auch flexibel zu agieren. Für Beziehung zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgebern gibt es keine „one-size-fits-all“ Lösung.”
Managerin, Deloitte Digital Customer Experience